Isphording

Starte nicht immer
mit Photoshop

Lass nicht deine Werkzeuge deine Ideen Formen

Es ist zu einfach ein Gestaltungsproblem anzugehen, indem man direkt Photoshop öffnet und damit beginnt eine schnelle erste Lösung zusammenzukloppen. Das mag für viele Projekte eine sinnvolle Herangehensweise sein, sollte jedoch einmal hinterfragt werden.

Sicher, ein neues Projekt bringt immer auch etwas Aufregendes mit sich. Denn wie in allen anderen Lebensbereichen auch ist das Neue etwas aufregendes, interessantes, welches neue Reize und neue Herausforderungen mitbringt, denen wir uns stellen wollen.

Und die Antwort der meisten (Grafik) Designer auf ein neues Projekt oder eine neue Aufgabenstellung ist meist das Öffnen von Photoshop. Ursprünglich als Werkzeug für die Photobearbeitung geschaffen hält dieses Multifunktionswerkzeug, sozusagen das Schweizer Messer der Computergestützen Gestaltung, für so ziemlich alle Bereiche her. Sogar einfache 3D Modelle ließen sich eine ganze Zeit lang damit erstellen.

Bei vielen Projekten wird Photoshop häufig in der Anfangsphase und in der Schlussphase eingesetzt. In der Anfangsphase werden hier die ersten Ideen skizziert oder mit Hilfe des Photobashing aus anderen, bestehenden Projekten, Skizzen, Bildern etc. zusammengesetzt. In der Endphase wiederum werden die in der Hauptphase des Projektes entstandenen Bilder häufig noch einmal in Photoshop gebracht um sie dort zusammenzusetzen oder ihnen hier den letzten Schliff zu geben.

Der große Mittelteil der meisten Projekte findet dagegen häufig in anderen, auf die Aufgabe spezialisiertere Programme statt, da Photoshop eben in erster Linie immer noch ein 2D Programm zur Bildbearbeitung ist.

Photoshop ist trotz all seiner Freiheiten und der Flexibilität, die es uns als Nutzern bietet nach wie vor noch ein Computerprogramm, welches eine bestimmte Arbeitsweise vorgibt. Zumindest, wenn man schnell zu einem Ergebnis kommen möchte. Und besonders wenn man Photoshop seit Jahren benutzt, dann läuft man immer wieder Gefahr die selben Schritte in der selben Reihenfolge auszuführen und dadurch zu ähnlichen Ergebnissen zu kommen. Mit der komfortablen “Library” Funktion und der Möglichkeit auch verlinkte Smartobjekte zu platzieren ist Photoshop zu einem mächtigen Werkzeug geworden, mit dem wir uns schnell und einfach aus einem selbst angelegten oder vorgefertigten Fundus an Objekten und Formen bedienen können. Gerade in Projekten, die die Zweidimensionalität der Abbildung nie verlassen (Print und Web-Projekte) kann man mithilfe dieser Werkzeuge sehr, sehr schnell zu guten Ergebnissen kommen (bzw. die 80% Marke erreichen [[8020]]). Doch ist genau auch das das Problem, denn es trägt dazu bei, dass man allzu leicht stagniert und den Platz, den man sich geschaffen hat nur ungern verlässt.

Über den Tellerrand

Dabei gibt es noch so viele andere Werkzeuge, die dabei helfen können neue Projekte einmal aus einer anderen Richtung anzugehen. Wie wäre es zB. einen neuen Entwurf mal in 3D zu starten, auch wenn er für den zweidimensionalen Einsatz gedacht ist?

Lässt sich zBrush für den ersten Entwurf eines Webdesigns einsetzen? Oder vielleicht doch lieber Houdini? Beim Experimentieren geht es nicht nur darum ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, sondern vor allem um die Erfahrungen, die man entlang des Weges macht und dem Wissen, welches man dort aufbaut. Dazu gehört nicht zuletzt auch das Lernen neuer Programme und vor allem neuer Arbeitsabläufe in den jeweiligen Programmen und Pipelines. Das berühmte “Schauen über den Tellerrand” sozusagen in die Tat umgesetzt. Dabei wird man feststellen, dass man viele Elemente aus 3D Arbeitsabläufen auch gut auf eigentlich zweidimensional bleibende Projekte übertragen kann.

Lebenslanges Lernen

Außerdem ist das Lernen neuer Programme bei der computergestützten Arbeit im zeitgemäßen Büroalltag eine Fähigkeit, die man sich gar nicht früh genug aneignen kann ([[always-be-conditioning]]). Dies hat vor allem zwei Gründe: Zum Einen steigert es die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten und nimmt ein wenig die Angst davor etwas neues zu lernen. Denn das Lernen eines neuen Computerprogrammes kann anstrengend sein. Besonders, wenn man damit noch in einen Bereich einsteigt, in dem man bisher keine Erfahrung hat. Viele Menschen (Kollegen und befreundete Designer) schieben dies häufig vor sich her, da sie entweder keine Zeit dafür haben oder, was viel häufiger der Fall ist, sich aufgrund der Komplexität gar nicht erst damit beschäftigen wollen. Denn etwas neues zu lernen ist immer schwierig und anstrengend. Und je älter wir werden, desto schwieriger scheint uns dies zu werden.

Der zweite Grund ein neues Programm und einen neuen Arbeitsablauf zu lernen ist, dass man dabei immer auch neue Herangehensweisen entdeckt, die man auf seine bisherigen Projekte und Arbeitsabläufe anwenden kann. Für die Arbeit an 3D Projekten und oder Filmprojekte werden ganz andere Anforderungen an die Organisation und das Management von Dateien gestellt, als dies zB bei klassischen Print- oder auch Webprojekten der Fall ist. Diese Arbeitsabläufe kennenzulernen bereichert daher das eigene Repertoire.

Das Pareto Prinzip

Es geht dabei nicht um das Erlangen der Meisterschaft in dem neuen Programm. Dies kann bei komplexen Programmen allein schon Wochen, Monate oder Jahre der intensivem Auseinandersetzung bedeuten. Zeit die man nicht hat, wenn man nicht in der jeweiligen Industrie arbeitet. Doch gemäß der [[8020]] Regel lässt sich ja auch mit nur 20% Eingabe/Aufwand schon ein 80%ites Ergebnis erreichen. Das heißt bezogen auf das Lernen neuer Software wer sich auch nur eine geringe Zeit der Einarbeitung und des Kennenlernes der rudimentären Funktionen und Arbeitsabläufe in einem neuen Programm etc. befasst, der profitiert ungleich mehr davon in seiner bisherigen Arbeitsumgebung. Es wird sicherlich einige Grenzfälle und Beispiele geben, wo man diese Regel nicht ohne Weiteres eins zu eins anwenden kann, doch im Großen und Ganzen denke ich, dass diese Aussage zutrifft.

Mir selbst geht es regelmäßig ähnlich. Gerade im 3D Bereich gibt es eine große Anzahl an twilweise sehr spezialisierten Programmen und allein um kurz reinzuschnuppern muss man hier und da schon eine Woche mit diesem Programm verbringen. Doch meistens wird man dabei mit Herangehensweisen und neuen Einsichten belohnt, die man auf seine Arbeit übertragen und nutzen kann, selbst wenn man das Programm, mit dem man dies eigentlich gelernt hat, nie wieder benutzt.

Noch ein positiver Nebeneffekt ist der “Heureka” Moment, den man manchmal hat, wenn man eine bisher unbeachtete Software verwendet. Es kam schon mehr als einmal vor, dass ich einem neuen Programm die Chance gegeben habe um mich damit zu beschäftigen, nur um dann nach einer gewissen Einarbeitungszeit zu sagen: “Warum habe ich mich nicht schon viel früher damit beschäftigt?”

Zurück zur Eingangsfrage. Es mag auf den ersten Blick befremdlich klingen, ein neues Programm zu lernen und dieses dann, ohne es richtig zu können, auf ein Projekt anzuwenden für das es nicht entwickelt wurde. Wozu sollte man mit Houdini eine Webseite entwerfen?

Computerprogramme sind, so komplex sie auch sein Mögen, nichts weiter als Werkzeuge. Und wenn auch jedes Werkzeug für einen ganz bestimmten Zweck entwickelt wurde, so lassen sich diese auch zweckentfremden um damit etwas anderes oder gar etwas neues zu machen. Ein Hammer eignet sich eben nicht nur um damit Nägel in die Wand zu schlagen. Und wer den Hammer häufig für etwas anderes einsetzt wird diesen entweder durch ein dafür besser geeignetes Werkzeug austauschen oder zu dem Ergebnis kommen, dass es kein besser geeignetes Werkzeug dafür gibt und den Hammer dann entsprechend umformen oder erweitern, bis er nach einiger Zeit womöglich nicht mehr aussieht wie ein Hammer, sondern sich zu einem ganz neuen Werkzeug geformt hat. So ist es auch bei der Computersoftware.

Vielleicht ist es nicht unbedingt sinnvoll direkt beim nächsten Kundenprojekt eine neue Software einzusetzen um dieses damit zu bearbeiten. Das wird bei dem durchschnittlichen Projektlaufplan in den seltensten Fällen funktionieren. Doch hin und wieder tun sich kleine Zeitfenster auf, in denen man ein neues Werkzeug für einen kleinen Teil zum Einsatz bringen kann. Und wer nicht das Glück hat in einer Umgebung zu arbeiten, die für so etwas flexibel genug ist, der hat immer noch die Möglichkeit an einem eigenen Projekt oder einer selbstgestellten Aufgabe neue Werkzeuge und Arbeitsabläufe kennenzulernen und auszuprobieren und diese dann vielleicht mittelfristig doch noch in den eigenen Arbeitsalltag einfließen lassen zu können.

Stift und Papier

Und trotz aller Software und Generativer AI, die uns kreativen und nicht kreativen Menschen heutzutage zur Verfügung steht, ist eines der besten Werkzeuge zur Entwicklung neuer Ideen doch immer noch die klassische Kombination aus Stift und Papier. Diese ist extrem flexibel, kann überall mit hingenommen werden und ist für das Entwickeln der ersten groben Ideen an Geschwindigkeit kaum zu überbieten.